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Hintergründe zum Pflanzkartoffelengpass in der Schweiz

Im Jahr 2023 erreichte die Pflanzkartoffelproduktion in der Schweiz einen historischen Tiefstand, bedingt durch diverse Faktoren. Wir geben Einblick in die Hintergründe des Engpasses.

Die Produktion von Pflanzkartoffeln erreichte 2023 in der Schweiz einen historischen Tiefstand. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Inoverde setzt auf die solidarische Weitergabe von überschüssigem Saatgut und auf Importe, um die Lage zu stabilisieren.

Am Anfang jeder Kartoffelernte stehen die Pflanzkartoffeln. Sie werden unter kontrollierten Bedingungen angebaut und offiziell zertifiziert. Denn qualitativ hochwertige und gesunde Pflanzkartoffeln sind entscheidend für den erfolgreichen Anbau dieser anspruchsvollen Ackerkultur und ertragreiche Ernten. Inoverde beliefert einerseits den Detailhandel mit abgepackten Frischkonsumkartoffeln. Andererseits ist das Unternehmen der fenaco Genossenschaft führend in der Belieferung von Verarbeitungsbetrieben mit Schweizer Veredelungskartoffeln. Beide Marktsegmente sind darauf angewiesen, dass die inländischen Kartoffelproduzentinnen und Kartoffelproduzenten bedarfsgerecht mit Pflanzkartoffeln bedient werden können. 

Dank neuer Beschaffungsquellen Pflanzgut für Frisch- und Chips-Kartoffeln gesichert
2023 sieht sich die Schweiz mit einem historischen Tiefstand bei der Verfügbarkeit von Pflanzkartoffeln konfrontiert. Die Ernte liegt rund 20 Prozent unter den Erträgen der bereits unterdurchschnittlichen Vorjahre. Ein Engpass, der die hiesige Landwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen stellt. Die schlechte Ernte kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden. Zum einen sind die Vermehrungsflächen rückläufig, was zu einer geringeren Verfügbarkeit von Pflanzgut führt. Zusätzlich führte ein starker Virusbefall zu einer hohen Abweisungsrate der Kartoffeln bei der Zertifizierung. Ein weiterer Grund für die unzureichende Ausbeute war der geringe Ansatz mit wenigen, dafür aber grossen Pflanzkartoffeln je Kartoffelpflanze. Zudem konnten Pflanzgutflächen im Ausland aufgrund von feuchten Böden in erheblichem Umfang nicht mehr rechtzeitig geerntet werden, was auch beim Import zu Lieferengpässen führt. 

«Die letzten Wochen waren für das gesamte Team sehr hektisch. Es galt, das verfügbare Pflanzgut so fair wie möglich zu verteilen und in vielen Gesprächen zu erklären, warum die Bestellung leider nicht wie geplant geliefert werden kann. Diese Situation war aus­sergewöhnlich und ist in dieser Komplexität bisher noch nie aufgetreten», erklärt Christoph Kohli, Category Manager Seed & Processing Potatoes bei Inoverde. Die Kunden zeigten dank der guten Kommunikation über die Branchenorganisation swisspatat weitgehend Verständnis.

Inoverde ist bestrebt, möglichst alle Produktionsbetriebe mit Pflanzkartoffeln zu beliefern. In den Segmenten Frühkartoffeln sowie festkochende und mehligkochende Sorten für den Frischkonsum konnte durch das Ausweichen auf bisher wenig bekannte Sorten die Nachfrage weitgehend abgedeckt werden. Der Anteil importierter Pflanzkartoffeln aus Frankreich, Holland und Deutschland konnte hier signifikant erhöht werden. «In diesem Jahr haben wir sogar Pflanzkartoffeln aus Finnland importiert. Wir ziehen alle möglichen Register, um den Bedarf zu decken», so Christoph Kohli. Auch das benötigte Pflanzgut für den Anbau von Chips-Kartoffeln konnte letztlich beschafft werden. Schwieriger sei es jedoch beim Pflanzgut für die Produktion von Pommes-frites-Kartoffeln. Hier werde es nicht gelingen, den Gesamtbedarf abzudecken, meint Christoph Kohli. «Die Anzahl geeigneter Sorten ist sehr beschränkt. Da wirkt sich der internationale Mangel an Pflanzgut noch stärker aus.»

Engagement für bessere Rahmenbedingungen
Um eine möglichst effiziente Verteilung des verfügbaren Pflanzguts zu gewährleisten, ermutigt Inoverde die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, überschüssige Pflanzkartoffeln untereinander weiterzugeben. «Wir übernehmen dabei die Rücknahmekosten ab einer bestimmten Mindestmenge, was die Solidarität und das gemeinsame Bestreben innerhalb der Kartoffelbranche fördert», so Christoph Kohli. Kurzfristig hat man also Lösungen gefunden. Langfristig brauche es bessere Rahmenbedingungen für die Produktion von Pflanzkartoffeln, so Christoph Kohli. In diesem Zusammenhang müsse auch über die Preise und die Qualitätsvorgaben gesprochen werden. Inoverde engagiert sich dafür in den Branchenorganisationen. Gleichzeitig überprüft Inoverde für bestimmte Sorten den Abschluss von Anbauverträgen mit Produktions­betrieben im Ausland. So sollen Schwankungen im Inland ausge­glichen und Engpässe zukünftig vermieden werden.

Bereitstellung von hochwertigem Pflanzgut
In der Schweiz werden auf ungefähr 1500 Hektaren Pflanzkartoffeln angebaut. Dies entspricht rund 13 Prozent der gesamten Kartoffelfläche. Die Pflanzgutvermehrerinnen und Pflanzgutvermehrer verfügen über einen Anbauvertrag mit einem regionalen VO-Betrieb. Inoverde übernimmt einen Teil des produzierten Pflanzgutes von diesen VO und vermittelt es über die lokalen LANDI an Kartoffelproduzentinnen und Kartoffelproduzenten. Für diesen wichtigen Teil der Kartoffelproduktion werden stets neue, zusätzliche Produzentinnen und Produzenten gesucht. Die kritische Versorgungslage mit Kartoffelpflanzgut zeigt exemplarisch, wie viele Räder einwandfrei ineinandergreifen müssen, um die Schweiz in ausreichender Menge mit gesunden, sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen. Know-how und Erfahrung der Einzelbetriebe im Anbau und in der Verarbeitung sind dabei genauso wichtig wie die übergeordnete strategische Planung und die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg.

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